Farbe und Steine gegen Berliner Dom

In der Nacht vom 1. Mai wollten wir die kämpferische Erinnerung des Anarchismus aufleben lassen. Während die befriedete Party langsam abebbte, griffen wir mit Farbe und Steinen den Berliner Dom an.

Der Berliner Dom ist eng mit dem Aufstieg des deutschen Imperialismus verbunden. In seiner heutigen Form wurde er zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert erbaut und sollte mit den großen Kirchen anderer Nationen konkurrieren und so Größe des Deutschen Reiches zu demonstrieren, das einen größeren Anteil am Kuchen des europäischen Kolonialismus beanspruchte. Vor dem Dom versammelten sich die Massen in frenetischer Verehrung, als Deutschland 1914 in den Krieg eintrat, von Gott begleitet wurden sie in den Schützengräben abgeschlachtet. „Für deutsche Werte, gegen die Barbarei“, war die Parole, die von der Kanzel geschrien wurde.  Welche deutschen Werte die Kirchenmänner meinten, zeigte sich einige Jahre später. In einer Zeit, in der sich der faschistische Charakter des Staates nicht mehr hinter einem demokratischen Anschein zu verstecken versucht, ist es nur passend, dass der Dom neben dem wiederaufgebauten Schloss zum Herzstück des wiederbelebten preußischen Disneylands in der Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands wurde.

Der Wiederaufbau ist eine Touristenattraktion, vergessen sind die Massaker und die Plünderungen. Im neuen Herzen der Stadt will man „neue Mauern für den Besuch Berlins schaffen“. Doch im „neuen kulturellen Zentrum der Stadt“ taucht der Mensch, der in der Stadt lebt, kaum auf, wenn er nicht gerade für das Vergnügen der Touristen prekär arbeitet. 10,4 Millionen Touristen gehen dort jedes Jahr umher, völlig losgelöst von unserer Realität. Umgeben von teuren Restaurants, Kunstgalerien und Souvenirläden, während wir zu einem Gentrifizierungsprozess verdammt sind, der uns aus unseren Vierteln vertreibt und unsere sozialen Netze zerstört. Diejenigen, die sich um uns kümmern und uns zusammenhalten.

In der gesamten Geschichte der modernen Staaten sind religiöse Institutionen und der Staat voneinander abhängig, um ihre Macht über Individuen und Kollektive zu behaupten. Sie versuchen, unsere Körper zu kontrollieren, der Staat mit seinen Gesetzen und die Kirche mit ihrer Moral. Nach der Familie ist die Religion mit ihren Kirchen die erste Institution, die uns in die kapitalistische Gesellschaft einführt. Die Kirche bedient sich der Almosen, um die Armut zu kontrollieren und das Klassensystem aufrechtzuerhalten, so erhalten sie ihre Machtposition. Almosen sind keine Solidarität! Dazu passt, dass die Kirche der größte Arbeitgeber in Deutschland ist, 1,3 Millionen Arbeitnehmer, die sich immer noch nicht gewerkschaftlich organisieren können.

Seit dem Beginn des europäischen kapitalistisch-kolonialen Projekts wurden religiöse Institutionen als ein profitables Instrument definiert, das in der Lage ist, das aus den Kolonien gestohlene Gold anzuhäufen und die natürlichen Ressourcen zu privatisieren.
Sie erfüllten die Rolle, eurozentristische kapitalistische Moral und Werte in der ganzen Welt zu verbreiten. Die Kirche als kapitalistische religiöse Institution war und ist bis heute das wahre Kulturministerium aller europäischen Nationalstaaten. Die Moderne und ihre Fassade der Säkularität haben die europäische Gesellschaft, die ebenso ignorant und arrogant ist, in das einfachste Terrain der immerwährenden Herrschaft verwandelt. Massen von Menschen, die davon überzeugt sind, überlegen zu sein, erstarrt in der Vorstellung, ein privilegiertes Leben zu führen, ein viel besseres Leben als „die anderen“. Eine Masse von Menschen, die vergessen haben, wie wichtig es ist, sich selbst zu definieren, sich selbst zu organisieren und für freies Denken zu kämpfen.
Die Kirchen (und zwar alle) haben die Praxis der Ausrottung von Volksgruppen im globalen Süden erdacht und dazu beigetragen. Bis heute unterhalten die deutschen Kirchen und damit der deutsche Staat Konzentrationslager in Südamerika, in denen die indigene Bevölkerung durch das Verbot der Selbstbestimmung eingesperrt, kulturell, psychisch und physisch gefoltert wird. Die Menschen werden zu einer hierarchischen sozialen Organisation gezwungen, müssen sich heteronormativen und monogamen Beziehungen unterwerfen, die die Idee der Männlichkeit als geschlechtliche Überlegenheit aufzwingen, und werden genötigt, für andere im Austausch für eine Geldleistung zu arbeiten.

Gleichzeitig ist Deutschland ein weltweites Musterbeispiel eines religiösen Staates.
35 Euro für die Pille des Tages danach, das ist kein Privileg, das ist der christliche Staat.
18% weniger Durchschnittsgehalt für eine FLINTA, das ist kein Privileg, das ist der christliche Staat.
Staatlich geregelter Zugang zur Abtreibung ist kein Privileg, es ist der christliche Staat.
Die Zunahme der heteronormativen und kleinbürgerlichen Familien, in denen der Mann arbeiten geht und die Frau den Prenzlauerberg mit dem Kinderwagen „genießt“, ist kein Privileg und keine freie Entscheidung, es ist der christliche Staat.
Alle 3 Tage ein Femizid: der christliche Staat!

Weltweit haben feministische und anarchistische Genossinnen und Genossen nicht vergessen, dass der Kampf gegen Staat und Patriarchat ein Kampf gegen die Institution der Kirche ist. Dass der Kampf für die Befreiung ein Kampf gegen alle religiösen Institutionen ist. Wir senden eine Umarmung an Monica und Francisco, und Kraft für die neue Runde ihres Gerichtsverfahrens. Wir senden Umarmungen an alle inhaftierten Genossen. Kein Vergeben, kein Vergessen.

Wir erwarten nicht, dass die Medien unsere Ideen in der Praxis wiedergeben, im Gegenteil, wir erwarten, ihr Schweigen. Wir verstehen jeden Angriff auf den Kern des Systems als einen Funken, um die gemeinsamen Flammen des Aufstandes zu verbreiten. Sie fürchten die Nachahmung, wir lächeln, wenn wir daran denken.

All churches are targets!

Einige Anarchistinnen

English

The night of may 1st we wanted to recover the anarchist combative memory. While the pacified party was slowly fading away, we attacked with color and stones the Berlin Cathedral.

The Berlin Cathedral is closely linked to the rise of german imperialism. In its current form it was built between the 19th and 20th century and was meant to compete with the big churches of other nations to display the greatness of the german reich demanding a bigger share of european colonial enterprise. On front of this cathedral masses came together in frenzy veneration , when germany entered the great war of 1914, accompanied by god they were slaughtered in the trench. “For german values, against barbarism”, was the slogan yelled from the pulpit.
What german values the churchmen meant could be seen only some years later. At a time were the fascist nature of the state is not trying to hide anymore behind a democratic appearance it is only fitting that the cathedral, next to the reconstructed castle became the heart of revived Prussian Disneyland in the capital of reunified germany.

The reconstruction is a tourist attraction, forgotten are the massacres and the plunder. In the new heart of the city they “want to create new walls for the visit of berlin”. But in „the citiy’s new cultural hub”, rarely appears the person who lives in the city, if its not in the way of precarious work for the tourists pleasures. 10.4 million tourists walk there every year, fully dissociated from our reality. Surrounded by expensive restaurants, art galleries and souvenir shops, while we are condemned to a process of gentrification that expels us from our neighborhoods, and breaks our social networks. Those that take care of us, and keep us united.

In the whole history of modern states, religious institutions and the state are codependent on each other to maintain their power over individuals and collectives. They try to control our bodies, the states with their laws and the church with their morality. After the family, religion with it’s churches is the first institution that intruduces us to the capitalist society. The church uses charity to control the poorness, and maintain the class system, with this they stay in a higher position. Charity is no solidarity! To this fits that the church is the biggest employer in germany, 1,3 million workers that still can’t unionize.

Since the beginning of the european capitalist-colonial project, religious institutions were defined as a space for profit, capable of accumulating the gold stolen from the colonies and privatize natural resources.
By fulfilling the role of spreading eurocentrist capitalist moral and values throughout the world. The church as a capitalist religious institution was and is to this day the true ministry of culture of all European nation states. Modernity and its facade of secularity have come to convert the european society, equally ignorant and arrogant in the easiest terrain of ever existing domination. Masses of people convinced of beeing superior, frozen by the idea of living in a life of privilege, a much better life than “the others”. A mass of people that have forgotten the importance of self-definition, self-organization and struggle for free thinking.
The churches (all of them) have devised and contributed to the practice of extermination of peoples in the global south. It is to this day, that the German churches and therefore the German state have concentration camps in South America, in which indigenous populations are subjected to imprisonment, cultural, psychological and physical torture, through the prohibition of self-determination. Forced to a hierarchical social organizing, people are obliged to subject to hetero normative and monogamous relations, that impose the idea of masculinity as gender superiority and are forced to work for others in exchange of a currency.
At the same time Germany is one of the world’s foremost examples of religious statehood.
35 euros for the pill of the day after, this is not a privilege, it is the christian state.
18% less average salary for being a FLINTA, not a privilege, it is the christian state.
State-regulated abortion not a privilege, it is the christian state.
The increase of the heteronormative and petty bourgeois families, where the man goes to work and the woman “enjoys” prenzlauerberg with the baby stroller, its not a privilege and its not a free decision, it is the christian state.
A femicide every 3 days: the christian state!

Around the globe ,feminist and anarchist comrades have not forgotten that the fight against state and patriarchy its a fight against the institution of the church. That the fight for liberation is a fight against all religious corporations. We send a hug to Monica and Francisco, and strength during the new step of their trial. We send hugs to all imprisoned comrades. We do not forget, we do not forgive.

We do not expect mass media to reproduce our ideas in practice, on the contrary we expected the given silence to it. As we understand every attack to the core of the system is a sparkle to propagate joint flames of insurrection. They fear replication, we smile when we think of it.

All Churches Are Targets!

Some anarchists

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